Nach erneuten, mehrmaligen Verschiebungen wurde am 26. April 2016 endlich der Referentenentwurf „Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz – BTHG)“ veröffentlicht. Den Verbänden der Behindertenhilfe wurde eine Frist von 3 Wochen eingeräumt, um schriftliche Stellungnahmen zu dem 369 Seiten umfassenden Papier abzugeben.
Dieser Referentenentwurf des BTHG wird von vielen Behindertenverbänden mit deutlichen Worten abgelehnt. Beispiele dafür sind Pressemitteilungen des Paritätischen Wohlfahrtverbands und der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe. Der Deutsche Behindertenrat, die Fachverbände der Menschen mit Behinderungen (denen auch Anthropoi Bundesverband angehört), der Paritätische Gesamtverband, das Deutsche Rote Kreuz, die Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, Frau Bentele, und der DGB haben ihre Ablehnung in „Sechs gemeinsame Kernforderungen zum Bundesteilhabegesetz“ formuliert. Anthropoi Selbsthilfe, die im Arbeitsausschuss des Deutschen Behindertenrates mitarbeitet, sowie eine große Zahl von weiteren Organisationen unterstützen diese Kernforderungen (als pdf zum Download auf der Website des Behindertenrats).
Diese Kernforderungen behandeln diejenigen Punkte des Referentenentwurfs, die eine breite mehrheitliche Kritik erfahren. Aus Sicht von Anthropoi Selbsthilfe werden aber eine Reihe von uns wichtigen Punkten nicht ausreichend oder gar nicht darin behandelt. Sie betreffen entweder hauptsächlich Menschen mit einer sogenannten geistigen Behinderung und deren Angehörige, welche in den oben genannten Verbänden nur eine Minderheit darstellen, oder aber sie gelten speziell für das anthroposophische Sozialwesen. Beispiele hierfür sind die LebensOrte unserer Angehörigen, deren Existenz durch den vorliegenden Referentenentwurf nicht nachhaltig gesichert ist oder die diskriminierende, aus unserer Sicht der UN-BRK deutlich widersprechende Unterscheidung in „werkstattfähige“ und „nicht werkstattfähige“ Menschen mit Assistenzbedarf mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.
Deshalb haben wir uns entschlossen, neben der Unterstützung der gemeinsamen Kernforderungen unsere speziellen Anliegen klar zu formulieren und in einer gesonderten Stellungnahme von Anthropoi Selbsthilfe dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vorzulegen und zu veröffentlichen.
Stellungnahmen anderer Verbände können Sie ab 20. Mai finden auf einer Website des BMAS: www.gemeinsam-einfach-machen.de
Am 12. Mai verabschiedete der Bundestag das neue Behindertengleichstellungsgestz (BGG), das zur Enttäuschung der Behindertenverbände die Privatwirtschaft komplett außen vor lässt, siehe Pressemitteilung des Deutschen Behindertenrates. Entsprechende Anträge der Fraktionen der Grünen und der Linken fanden keine Berücksichtigung.
Im Gesetzgebungsverfahren befindet sich derzeit auch das Pflegestärkungsgestz III.
(Das Foto zeigt die Proteste der betroffenen Menschen bei der Demonstration am 4. Mai 2016 in Berlin, eigentlich zum Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, doch im Mittelpunkt standen das BTHG und das BGG; Foto: Alfred Leuthold)