Arbeiten in der WfbM, Erwerbsminderungsrente und Altersrente

(aus informiert! Johanni 2020)

Bei Menschen mit Assistenzbedarf spielen Erwerbsminderungsrenten sowie Altersrenten zur Finanzierung des Lebensunterhalts eine wichtige Rolle. Rechtliche Betreuer*innen sind wiederum verpflichtet, rechtzeitig erforderliche Anträge zu stellen. Im Nachfolgenden wird deswegen der Unterschied zwischen voller Erwerbsminderungsrente und Altersrente für Menschen mit Assistenzbedarf, die in einer Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) tätig sind, näher beleuchtet.

Arbeiten in der WfbM und Erwerbsminderungsrente

Vielen bekannt ist die Möglichkeit für Menschen mit Assistenzbedarf, nach 20 Jahren durchgängiger Tätigkeit in der WfbM eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu beantragen. Hierbei handelt es sich um eine spezielle Form der Rente wegen voller Erwerbsminderung im komplizierten Bereich des Rentenrechts (geregelt im SGB VI).

Das Kriterium der vollen Erwerbsminderung ist bereits Zugangsvoraussetzung für die Tätigkeit in der WfbM. Voll erwerbsgemindert ist ein Mensch, wenn sie/er aufgrund von Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden am Tag erwerbstätig zu sein. Bei Menschen mit Assistenzbedarf werden diese Voraussetzungen regelmäßig unterstellt.

Weitere Voraussetzung für die Erwerbsminderungsrente (die seit 2001 die Erwerbsunfähigkeitsrente oder EU-Rente ersetzt) ist, dass 20 Jahre durchgängig einer Tätigkeit in der WfbM nachgegangen wurde (§ 43 Abs. 6 SGB VI). Hierzu zählt auch die Zeit im Eingangsverfahren und im Berufsbildungsbereich der WfbM.

Die Erwerbsminderungsrente nach 20 Jahren Tätigkeit in der WfbM ist sogar häufig höher als eine vergleichbare Rente, wenn jemand z. B. 20 Jahre als Verkäufer*in mit geringen Einkommen gearbeitet hat. Dies hat den Hintergrund, dass für WfbM-Beschäftigte nicht das sehr geringe Werkstattentgelt Berechnungsgrundlage für die Rente ist. Berechnungsgrundlage ist 80 Prozent von dem Durchschnittseinkommen aller Rentenversicherten aus dem vorvergangenen Kalenderjahr (§ 18 SGB IV). Das jährliche Durchschnittsentgelt wird jährlich neu berechnet und betrug im Jahr 2019 brutto insgesamt 37.380,00 EUR (West) / bzw. 34.440,00 EUR (Ost).

Die Rentenbeiträge werden für WfbM Beschäftigte durch den Träger der WfbM bei der Rentenversicherung eingezahlt.

Die WfbM Beschäftigten profitieren jedoch nicht wirklich finanziell von der Erwerbsminderungsrente. Da der niedrige WfbM-Lohn regelmäßig mit Grundsicherung aufgestockt werden muss, werden Menschen mit Assistenzbedarf vom Grundsicherungsamt nach 20 Jahren Tätigkeit in der WfbM regelmäßig dazu aufgefordert, die Erwerbsminderungsrente zu beantragen. Diese beträgt dann monatlich circa 800,00 EUR bis 900,00 EUR abzüglich der Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung, sodass in den allermeisten Fällen weiterhin Grundsicherung beantragt werden muss. Die Beantragung der Erwerbsminderungsrente kann aufgrund des Nachranggrundsatzes in der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII) nicht verweigert werden, andernfalls werden die Leistungen der Grundsicherung gekürzt. Allerdings muss der Leistungsträge (Sozialamt) aufgrund der Beratungs- und Hinweispflichten im Sozialrecht auch auf die Möglichkeit und die Pflicht zur Beantragung der Erwerbsminderungsrente hinweisen.

Während die Rente bis zum 31.12.2019 auf den Leistungsträger (Sozialamt) übergeleitet wurde und automatisch mit den in Anspruch genommen Leistungen zum Lebensunterhalt verrechnet wurde, wird die Rente seit dem 01.01.2020 direkt an den Leistungsempfänger überwiesen.

Bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente kann die Tätigkeit in der WfbM im bisherigen Umfang fortgesetzt werden, was regelmäßig der Fall ist. Dies hat den Hintergrund, dass es sich bei der WfbM um eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben handelt.

Hinweis: Rentenrechtlich gleichgesetzt wird die Tätigkeit in der WfbM mit einer Tätigkeit bei den sogenannten „anderen Leistungsanbietern“ (§ 60 SGB IX). Diese müssen nicht alle Auflagen für eine WfbM erfüllen und sind als Teilhabeleistung am Arbeitsleben erst mit dem BTHG zum 01.01.2018 eingeführt worden.

Arbeiten in der WfbM & Altersrente

Nach der Rente wegen voller Erwerbsminderung folgt die sogenannte Altersrente. Der Anspruch auf Regelaltersrente setzt das Erreichen eines gewissen Alters voraus, das in den vergangenen Jahren stufenweise erhöht wurde. Das hat zur Folge, dass eine 1964 geborene Arbeitnehmer*in im Normalfall, d.h. ohne einen früheren Rentenbeginn aufgrund individueller Ansprüche, erst mit 67 Jahren (sogenannte Regelaltersgrenze) die ungekürzte Regelaltersrente erhält. Die Höhe der Altersrente richtet sich wiederum nach dem erzielten Einkommen während des Erwerbslebens. Es muss außerdem mindestens fünf Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt worden sein.

Da Menschen mit Assistenzbedarf, die in einer WfbM tätig sind, häufig bereits eine Erwerbsminderungsrente beziehen, erfolgt die Umstellung auf die Altersrente automatisch.

Trotz Erreichens der sogenannten Regelaltersgrenze möchten Menschen mit Assistenzbedarf teilweise weiter in der WfbM arbeiten. Das Gesetz sieht hier vor, dass Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben in der WfbM in der Regel längstens bis zum Ablauf des Monats erbracht werden, in dem das für die Regelaltersrente erforderliche Lebensalter erreicht wird (§ 58 Abs. 1 Satz .3 SGB IX). Hierbei ist es Aufgabe der WfbM, rechtzeitig den Übergang in den Ruhestand vorzubereiten. Allerdings sind nach der Begründung des Gesetzgebers auch flexible Übergänge aus dem Arbeitsbereich in den Ruhestand möglich1). D. h., die Tätigkeit in der WfbM muss nicht zwingend mit dem Erreichen der Regelaltersgrenzen beendet werden. Erfreulicherweise hat auch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (Urteil vom 11. Dezember 2019 – L 16 R 256/19) in einer aktuellen Entscheidung auf den flexiblen und am Einzelfall zu orientierenden Übergang von der Tätigkeit in der WfbM in den Ruhestand hingewiesen.

Bei Einzel-Fragen wenden Sie sich bitte an den Sozialdienst der WfbM bzw. an die zuständige Rentenversicherung.

1) Vgl. Seite 55, BT-Drucksache18/10523, online abrufbar unter https://bit.ly/altersrente-wfbm

(Mai 2020) RAin Sabine Westermann