
Bahn fahren
Schwerbehindertenausweis / Freifahrten / (Bahn-)Reisen
(Stand: November 2021)
Ausführliche Informationen zum Thema Nachteilsausgleiche mit Hilfe des Schwerbehindertenausweises bei Fahrten und Reisen:
Download „Info zu Schwerbehindertenausweis / Freifahrten / Reisen“ Stand Nov. 2021 (pdf, 211 kB)
Alleine unterwegs mit der Bahn
Nachfolgend Tipps in Einfacher Sprache.
— Der ursprüngliche Text ist in der Zeitschrift PUNKT UND KREIS, Michaeli 2007 erschienen / aktualisiert im November 2021 —
Mit diesem Artikel will ich Mut machen zum Fahren mit der Bahn ohne Begleitung und Anregungen geben für eine gelungene Fahrt und praktische Informationen. Bahn fahren macht Spaß und ermöglicht Unabhängigkeit!
Ich bin zu Besuch in der Dorfgemeinschaft Lehenhof. Dort treffe ich Ralf*. Früher lebte er am Lehenhof, jetzt im Allgäu. Er ist alleine mit der Bahn gefahren, um auf dem Lehenhof alte Freunde zu treffen. Natürlich hat der Lehenhof keinen eigenen Bahnhof. Vom nächstgelegenen Bahnhof muss er sich abholen lassen. Aber er könnte den Besuch nicht machen, wenn ihn jemand die ganze Strecke mit dem Auto fahren müsste. In der Dorfgemeinschaft Tennental treffe ich Frank* und Dieter*. Sie sind häufig alleine mit der Bahn unterwegs. Zum Beispiel mit der S-Bahn nach Stuttgart oder zur Kur an den Bodensee. Ganz normal. Ich frage auch: „Habt ihr keine Sorge, nicht dort anzukommen, wo ihr hin wollt?“ Beide antworten: Nein, sie kennen sich ja aus. Wie auch Reiner* sich mit der U- und S-Bahn in Berlin auskennt und oft unterwegs ist. Sonja* lebt in Weckelweiler in Baden-Württemberg, ihre Mutter in Berlin. In die Sommerferien nach Berlin fährt sie – mit der Bahn, zusammen mit einem anderen Weckelweiler-Bewohner.
Wer noch nie mit der Bahn gefahren ist, sollte zum Kennenlernen die erste Fahrt zusammen mit einer Begleitung machen. Bahn fahren kann ja ganz schön aufregend sein! Ein Zug wie der ICE kann viel schneller fahren als ein Auto! Da steht dann auf einer Anzeigetafel, dass der Zug 200 Kilometer pro Stunde fährt oder sogar noch schneller. Und Sie können unterwegs im Zug auf die Toilette oder in den Speisewagen gehen. Manchmal treffen Sie auch fremde Menschen im Zug, mit denen man sich nett unterhalten kann – oder Sie schauen einfach aus dem Fenster.
Auf Strecken, wo der Zug auch in kleinen Ortschaften hält, fahren Regionalzüge. Die sind meist knallrot angestrichen. Wenn Sie diese benutzen, ist es gut, die Strecke zu kennen. Denn oft gibt es dort keine Schaffner im Zug (bei der Bahn sagen sie „Zugbegleiter“). Und auf den kleinen Bahnhöfen ist meist kein Bahnpersonal. Und die Züge halten nur ganz kurz. Aber das kann man lernen, genauso wie man morgens den Weg in die Werkstatt findet.
Vor einer richtigen Reise ist es immer wichtig, sich gut vorzubereiten. Dabei helfen die Mitarbeiter*innen, die Eltern oder Freunde und auch die Mitarbeiter*innen der Deutschen Bahn. Die haben extra für Menschen mit Assistenzbedarf eine Stelle eingerichtet: die Mobilitätsservice-Zentrale. Man kann dort anrufen und sagen, wohin man fahren will und welche Unterstützung man braucht. So geben Sie dort an: „Lernbehinderung“ oder „geistige Behinderung/Mensch mit Lernschwierigkeiten“, „Rollstuhlfahrer*in“, „Gehbehinderung“. Dann erfährt man, wann ein Zug fährt und wo man umsteigen muss, kann die Fahrkarte bestellen und: Man kann bestellen, ob man von Mitarbeiter*innen der Bahn oder der Bahnhofsmission zum richtigen Zug begleitet werden soll. Diese Helfe*innenr erkennen Sie an der Bahnuniform. Beim Umsteigen auf einem großen Bahnhof mit vielen Bahnsteigen wie zum Beispiel in Frankfurt ist dies eine ganz große Hilfe. Und das kostet nichts! Einfach mal ausprobieren.
Manchmal kommt es vor, dass ein Zug Verspätung hat. Dann spricht man einfach den Schaffner oder die Schaffnerin an. Die helfen auch gerne bei anderen Fragen. Oder Sie bitten andere Reisende um Unterstützung. Zum Beispiel, damit Sie am richtigen Bahnhof aussteigen, oder damit Ihnen jemand den Koffer aus der Ablage holt. Sehr praktisch ist es, wenn Sie ein Papier dabei haben, auf dem alles draufsteht: Name, Telefonnummer für den „Notfall“, wohin Sie unterwegs sind, die genaue geplante Zugverbindung. Dieses Blatt nehmen Sie im Geldbeutel, Umhängebeutel oder in der Jackentasche mit und können es der Schaffner*in oder Mitreisenden zeigen. Ein Muster gibt es hier zum Herunterladen.
Sehr praktisch ist es, ein Handy dabei zu haben. Dann kann man jemanden anrufen, mit dem man die Reise vorher besprochen hat. Die Telefonnummer ist am besten abgespeichert. Und nicht vergessen: den Akku des Handys vor der Fahrt aufladen.
Wenn man zu zweit unterwegs ist, hat das natürlich Vorteile: man kann sich gegenseitig unterstützen, fühlt sich vielleicht nicht so alleine und hat eine*n Gesprächspartner*in oder kann während der Fahrt Spiele machen.
Auf Bahnhöfen ohne Bahnpersonal stehen oft sogenannte Notrufsäulen. Im Internet kann man nachschauen, ob ein Bahnhof so eine Notrufsäule hat. Wenn man Hilfe braucht – zum Beispiel der Zug hatte Verspätung und der Anschlusszug zum Weiterfahren ist schon weg: Info-Knopf drücken, dann meldet sich aus dem Lautsprecher ein*e Bahnmitarbeiter*in. Dem sagen Sie, welche Hilfe Sie brauchen und dass Sie zum Beispiel Schwierigkeiten haben, den Fahrplan zu lesen. Solche Sachen am Besten einmal in Echt angucken. (Der SOS-Knopf ist für richtige Notfälle gedacht, wenn die Polizei kommen soll). Und man kann Rollenspiele machen. Das macht eine Menge Spaß und man lernt ganz viel dabei. Dabei können Sie auch lernen, wie Sie mit Menschen umgehen, die Sie merkwürdig ansprechen. Übung macht den Meister, das gilt für alle Menschen.
Viele Mitarbeiter*innen der Bahn haben auch solche Rollenspiele gemacht und dabei gelernt, wie man Menschen mit Assistenzbedarf am besten helfen kann. Ellen Engel-Kuhn, die Leiterin der Kontaktstelle für kundenbezogene Behindertengelegenheiten bei der Bahn, sagte mir schon 2007: „Ich bin überzeugt, dass zwei Drittel der Bahnmitarbeiter*innen sensibel sind im Umgang von Menschen mit Assistenzbedarf.“
Also: trauen Sie sich!
Ich meine damit alle, die Sie alleine mit der Bahn fahren wollen, die Eltern und die Mitarbeitende in der Einrichtung.
* Namen von der Redaktion geändert.
Text + Foto: Alfred Leuthold, Berlin
SERVICE-Informationen Bahn
Rechtshinweis: Die Einrichtung hat zwar über den Heimvertrag eine Obhuts- und Sicherungspflicht. Wenn ein Mensch sich auch sonst frei im Umfeld bewegen kann, steht dem alleine unterwegs sein jedoch nichts entgegen.
Hinweis zum Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen B: durch eine Gesetzesänderung im Herbst 2006 wurde klargestellt, dass das Merkzeichen B keine Verpflichtung bedeutet, ständig mit einer Begleitperson unterwegs sein zu müssen. Man darf auch alleine reisen!
Fahrtkosten:
Bahn fahren ist oft sehr preiswert.
Mit einer gültigen Wertmarke im Schwerbehindertenausweis können alle Nahverkehrszüge in Deutschland kostenfrei benutzt werden.
Freie Nutzung anderer Nahverkehrsmittel wie Busse, U-Bahnen usw. bitte bei den regionalen Verkehrsverbünden und Tarifgemeinschaften erfragen.
Mit dem Merkzeichen „B“ kann eine Begleitperson in allen Fernverkehrszügen kostenlos mitreisen.
Auf der Website der Deutschen Bahn finden Sie ausführliche Information zu Vergünstigungen – z.B. zu Ermäßigten BahnCards, Linienschiffsfahrten zu Inseln, (es fehlt dort die Bodenseefähre Friedrichshafen – Romanshorn,), Ausland, Hunden, Gepäck u.a. – Anschauen lohnt sich!:
https://www.bahn.de/service/individuelle-reise/barrierefrei/barrierefrei_verguenstigungen
Deutsche Bahn:
- Bahn im Internet: https://www.bahn.de/service/individuelle-reise/barrierefrei (mit Link zur Anfrage Ihrer Hilfeleistung),
Fragen per E-Mail: msz@deutschebahn.com - Mobilitätsservice-Zentrale der Bahn:
Telefon 030/ 65 212 888 (normale Festnetz-Nummer),
Montag – Freitag 6 bis 22 Uhr , Samstag + Sonntag + Feiertag 8 – 20 Uhr
Anmeldung für Mobilitätsservice spätestens bis 20 Uhr am Vortag vor der Reise. - Ausstattung der Bahnhöfe: www.bahnhof.de (im Suchfeld den Namen des Bahnhofs eingeben)
Begleitzettel für die Bahnfahrt (Muster zum Ausfüllen oder auch selbst verändern):