Muss trotz Vorsorgevollmacht ein rechtlicher Betreuer bestellt werden?

(aus informiert! Johanni 2019)

Die auch in der Praxis immer wieder relevante Frage, ob trotz Vorliegens einer Vorsorgevollmacht eine Betreuerbestellung durch das Betreuungsgericht erforderlich ist, war 2018 erneut Gegenstand von zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (BGH) (Beschlüsse vom 08.08.2018 – Az: XII ZB 139/18 und 15.08.2018 – Az: XII ZB 10/18).

In beiden Fällen hatten die Betroffenen jeweils schriftliche Vorsorgevollmachten verfasst. In dem einen Fall hatte der Betroffene, der an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt ist, die Vorsorgevollmacht sogar noch während des laufenden Verfahrens erteilt. Bevollmächtigt worden waren jeweils Angehörige der Betroffenen. Dennoch wurden für die Betroffenen ohne weitere Prüfung der Vorsorgevollmachten durch die Gerichte Berufsbetreuer bestellt. Gegen diese Entscheidungen legten die Betroffenen jeweils Beschwerde beim BGH ein.

Der BGH kritisierte in beiden Fällen, dass die erst- und zweitinstanzlichen Gerichte sich jeweils nicht hinreichend mit der Wirksamkeit der Vorsorgevollmachten auseinandergesetzt hatten und verwies die Fälle zur erneuten Entscheidung zurück.

Der BGH verwies darauf, dass ein Betreuer nur bestellt werden darf, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist (§1896 Abs.2 Satz1 BGB). An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§1896 Abs.2 Satz2 BGB). Das bedeutet, wenn es eine Vorsorgevollmacht gibt, wird grundsätzlich kein Betreuer bestellt. Die Vorsorgevollmacht genießt Vorrang. Dieser Vorrang gilt allerdings auch nicht uneingeschränkt.

Die Vollmacht muss wirksam erteilt worden sein, d.h. der Vollmachtgeber darf zum Zeitpunkt der Vollmachtserteilung nicht geschäftsunfähig gewesen sein. Auch Menschen mit einer psychischen, seelischen oder geistigen Behinderung können eine Vorsorgevollmacht ausstellen, solange sie geschäftsfähig sind.

Der BGH hat in den Entscheidungen erneut bestätigt, dass grundsätzlich von der Wirksamkeit der Vollmacht auszugehen ist, allein Zweifel an der Unwirksamkeit sind nicht ausreichend. Liegt eine Vorsorgevollmacht vor, muss ein Betreuungsgericht sich in jedem Fall genau mit den Tatsachen auseinandersetzen und darlegen, dass der Vollmachtgeber bei Erstellung der Vollmacht geschäftsunfähig war, wenn die Vollmacht nicht berücksichtigt werden soll.

Des Weiteren muss der Vollmachtnehmer gewillt und geeignet sein, von der Vollmacht Gebrauch zu machen. Wenn z. B. der Bevollmächtigte selbst nicht mehr geschäftsfähig ist oder konkrete Anhaltspunkte für einen möglichen Missbrauch der Vollmacht bestehen, kann die Vollmacht nicht mehr berücksichtigt werden. Aber auch in diesen Fällen muss das Betreuungsgericht detailliert begründen, wieso der Bevollmächtigte nicht (mehr) geeignet ist.

Wer Interesse hat, kann die Entscheidung kostenlos online abrufen: https://www.bundesgerichtshof.de > Entscheidungen (In der Datenbank die Aktenzeichen  XII ZB 139/18 oder XII ZB 10/186 eingeben)

Weitere Informationen finden sich auch im Ratgeber des bvkm „18 werden mit Behinderung– Was ändert sich bei Volljährigkeit?“, dort Seite 8 ff.: http://bit.ly/2LMolKH.
Nähere Informationen sowie eine Vollmacht in leichter Sprache können online beim bvkm abgerufen werden: http://bit.ly/2JslLYz.

(Mai 2019) RAin Sabine Westermann