Nachgefragt: „Befreite“ Betreuer*innen
(aus informiert! Michaeli 2019)
Die nachfolgende Frage zum Betreuungsrecht erreichte Anthropoi Selbsthilfe von einer Mutter:
„Ich bin seit vielen Jahren die ehrenamtliche Betreuerin meines Sohnes und habe vor Kurzem die Betreuung seinem Bruder übergeben. Überraschend wurde mein letzter Betreuungsbericht mit der Bestandsübersicht über das zu verwaltende Vermögen vom Betreuungsgericht (im Weiteren nur noch Gericht) mit der Begründung beanstandet, dass die Kontoauszüge im Original vorgelegt werden müssten und alle Ausgaben durch Belege im Original hinterlegt sein müssten. Ich verstehe nicht, wieso ich jetzt plötzlich Kontoauszüge und Belege nachreichen soll und möchte deswegen wissen:
Wo kann ich diese Regeln nachlesen? Sind die Anforderungen zu Recht erfolgt, auch wenn das Gericht bisher nicht so verfahren ist?“
Antwort:
Die Regeln über den Betreuungsbericht und die Rechnungslegung finden sich in § 1908i BGB i.V.m. §§ 1837 ff. BGB. Die Regeln zu finden und zu lesen ist schwieriger, weil das Betreuungsrecht auf die Regeln zur Vormundschaft für Minderjährige im BGB verweist.
Man muss unterscheiden zwischen dem sogenannten Betreuungsbericht zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen und zur Rechnungslegung über die Vermögensverwaltung durch den/die Betreuer*in.
Über die persönlichen Verhältnisse ist einmal im Jahr zu berichten. Hierbei soll berichtet werden, wie es dem Betroffenen geht, was hat sich in seinem Umfeld geändert, wann fand der letzte Besuch statt usw.
Betreuer*innen mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge müssen gegenüber dem Gericht über die Vermögensverwaltung jährlich Rechnung legen und Belege wie Rechnungen / Quittungen und Kontoauszüge beifügen. Hintergrund ist, dass der/die Betreuer*in fremde Gelder für den Betroffenen verwaltet. Das Gericht soll sich einfach und schnell einen Überblick verschaffen können, ob die Vermögensverwaltung ordnungsgemäß erfolgt.
Da eine solche Rechnungslegung aufwendig ist, sind gewisse ehrenamtliche Betreuer*innen wie Ehegatten, Eltern oder Kinder des Betreuten, hingegen nicht die Geschwister, davon befreit. Diese Befreiung steht im Gesetz und gilt automatisch (§ 1908i BGB i.V.m. § 1857a BGB). Das bedeutet, einen Antrag oder ähnliches muss man für die Befreiung nicht stellen.
Diese sogenannten „befreiten Betreuer*innen“ müssen im Zeitraum von zwei Jahren lediglich ein Vermögensbestandsverzeichnis vorlegen. Ein Vermögensbestandsverzeichnis muss nur über den Stand des Aktivvermögens und die Verbindlichkeiten des Betroffenen Auskunft geben. Belege müssen nicht eingereicht werden. Meistens erfolgt dies jährlich im Zusammenhang mit dem Betreuungsbericht.
Die „Befreiung“ hat allerdings einen Haken: Denn auch die befreiten Betreuer*innen müssen bei der Beendigung der Betreuung oder bei einem Betreuerwechsel eine Schlussrechnung über den gesamten Zeitraum der Betreuung erstellen. Es sollten daher sämtliche Kontounterlagen und Belege / Rechnungen aufgehoben werden.
Hinsichtlich der Kontounterlagen genügen im Regelfall die online abgerufenen ausdruckbaren Umsatzübersichten als Beleg (Beschluss LG Neuruppin vom 06.10.2016, Az 5 T 80/16; Beschluss LG Hamburg vom 26.01.2018, Az. 301 T 28/18).
Insoweit dürfte das Vorgehen des Gerichts, bis auf die Anforderung der Kontoauszüge im Original, nicht zu beanstanden sein.
Zum Nachlesen mit den konkreten Normen: https://www.bundesanzeiger-verlag.de/betreuung/wiki/Befreiter_Betreuer
(September 2019) RAin Sabine Westermann