Nachgefragt: Finanzielle Unterstützung bei „Heimfahrten“

(aus informiert! Weihnachten 2019)

Viele Menschen mit Assistenzbedarf, die in einer besonderen Wohnform leben, haben weiterhin engen Kontakt zur Familie. Viele fahren regelmäßig zur Familie „nach Hause“ oder umgekehrt, wodurch u.a. Fahrtkosten entstehen. Bei pflegebedürftigen Menschen mit Assistenzbedarf übernehmen die Angehörigen in diesem Zeitraum außerdem die Pflege.

Besuchsbeihilfen

Die Eingliederungshilfe gewährt hierzu Besuchsbeihilfen. Ab dem 01.01.2020 sind die Besuchsbeihilfen in § 115 SGB IX geregelt. Die Besuchsbeihilfen sind Leistungen zur sozialen Teilhabe und verfolgen das Ziel, dass Menschen in besonderen Wohnformen den Kontakt zu Angehörigen pflegen und halten können. Wesentliche Änderungen durch das BTHG erfolgen für die Besuchsbeihilfen nicht.

Voraussetzung für die Gewährung von Besuchsbeihilfen ist, dass der Mensch mit Assistenzbedarf Leistungen der Eingliederungshilfe über Tag und Nacht erhält. Das trifft auf die besondere Wohnform zu. Besuchsbeihilfen können für Besuche des Menschen mit Assistenzbedarf sowie für Besuche durch die Angehörigen geleistet werden. Der Kreis der Angehörigen umfasst dabei neben Verwandten auch weitere Menschen, zu denen eine soziale Bindung besteht.

Das Gesetz lässt dem Leistungsträger allerdings einen Entscheidungsspielraum, in welcher Höhe die Besuchsbeihilfen gewährt werden und ob diese im Einzelfall erforderlich sind.
Weil das Gesetz keine Aussage trifft, in welcher Höhe die Beihilfen geleistet werden, gibt es unterschiedliche Empfehlungen in den einzelnen Bundesländern, an denen sich die Leistungsträger orientieren.

So muss für die Fahrt zwischen besonderer Wohnform und Angehörigen, soweit möglich und zumutbar, das kostengünstigste Verkehrsmittel genutzt werden, z. B. öffentliche Verkehrsmittel. Bei Fahrten mit dem Pkw werden die zurückgelegten Kilometer meisten mit 0,30 EUR/km berücksichtigt. Auch werden nicht beliebig viele „Besuchsfahrten“ unterstützt. Für erwachsene Menschen mit Assistenzbedarf werden Besuche einmal im Monat, teilweise aber auch nur alle zwei Monate berücksichtigt. Auch die Entfernung von der besonderen Wohnform „nach Hause“ kann eine Rolle spielen bei der Anzahl der beihilfefähigen Besuche. Zusätzliche Besuchsbeihilfen können z. B. bei einem Trauerfall unter den Angehörigen übernommen werden.

Es empfiehlt sich, bei dem zuständigen Träger der Eingliederungshilfe formlos und schriftlich die Besuchsbeihilfe zu beantragen und um Information zu bitten, inwieweit Beihilfen gewährt werden (Häufigkeit der Fahrten usw.) sowie welche Nachweise beigebracht werden müssen.

Teilweise berichten Angehörige von Menschen mit Assistenzbedarf, dass ihnen auf telefonische Nachfrage (entspricht einer zulässigen mündlichen Antragstellung) bei dem zuständigen Leistungsträger mitgeteilt worden sei, dass Besuchsbeihilfen nicht möglich seien. In so einem Fall empfiehlt es sich, auf eine schriftliche Ablehnung zu bestehen. Eine Behörde ist nämlich verpflichtet, eine mündliche Entscheidung auf Verlangen des Leistungsberechtigten schriftlich abzufassen.
Damit der Leistungsträger die Höhe der Beihilfe berechnen kann, müssen die Fahrtkosten nachgewiesen werden, z.B. durch einen Fahrschein. Bei Fahrten mit dem Pkw kann z. B. ein Ausdruck aus einem Routenplaner beigefügt werden.

Pflegegeld

Menschen mit Assistenzbedarf, die für das Wochenende oder auch für einen Urlaub die besondere Wohnform verlassen und mindestens einen Pflegegrad 2 haben, können für diese Zeit Pflegegeld beanspruchen. Die Tage der An- und Abreise werden als volle Tage der häuslichen Pflege berücksichtigt.
Beispielberechnung:

Ein Mensch mit Assistenzbedarf mit Pflegegrad 3 lebt in einer besonderen Wohnform, wofür die Pflegekasse monatlich den maximal möglichen Leistungsbetrag in Höhe von 266,00 EUR leistet, den die Einrichtung erhält.
Im Juli 2019 besucht der Mensch mit Assistenzbedarf an zwei Wochenenden (jeweils Freitag bis Montag, also vier Tage bzw. insgesamt acht Tage) den Vater. Der Vater übernimmt während dieser Zeit die Pflege.
Das monatliche Pflegegeld im Pflegegrad 3 beträgt aktuell 545,00 EUR.
Das hat zur Folge, dass für die zwei Wochenenden der häuslichen Pflege ein Anspruch auf Pflegegeld in Höhe von 145,33 EUR besteht (545,00 EUR / 30 Tage x 8 Tage).

Der Zeitraum, in welchem der Menschen mit Assistenzbedarf zu Hause gepflegt wird und Pflegegeld beansprucht, muss der Pflegeversicherung mitgeteilt werden.

(November 2019) RAin Sabine Westermann