Qualifizierte Assistenzleistungen für Kinder an sogenannten Förderschulen

(aus informiert! Johanni 2020)

Assistenzleistungen für den Schulbesuch beschäftigen immer wieder die Sozialgerichte. Bei Kindern mit Assistenzbedarf ist regelmäßig streitig, ob die Assistenz dem Kernbereichs pädagogischer Arbeit zuzuordnen ist, also noch in den Aufgabenbereich der Lehrer*innen bzw. der Schule fällt, oder ob es sich um den Unterricht begleitende Assistenzdienste handelt. Hintergrund dieses für Laien schwer verständlichen Streits ist, dass unterschiedliche Kostenträger zuständig sind.

Es wird nicht nur über Assistenzleistungen für Kinder mit Behinderungen für den Besuch der Regelschule gestritten (vgl. informiert! Michaeli 2019). Auch bei dem Besuch einer Förderschule sind immer wieder den Unterricht begleitende Assistenzleistungen streitig. Sogenannte Förderschulen verfügen zwar bereits über eine deutlich bessere Personalausstattung, aber auch hier sind den Unterricht begleitende Assistenzleistungen häufig erforderlich.

Das Bundessozialgericht stellt in seiner Entscheidung vom 18.07.2019, Az. B 8 SO 2/18 R, erfreulicherweise klar, dass der Kernbereich pädagogischer Arbeit gleichermaßen für Regelschulen wie für Schulen mit besonderem Förderschwerpunkt zu bestimmen ist. Geklagt hatte in dem Fall ein Schüler, der u.a. von einem frühkindlichen Autismus betroffen ist, eine Förderschule mit dem Schwerpunkt geistige Entwicklung besucht und eine 1:1 Assistenz benötigt.

Das Bundessozialgericht vertrat die Ansicht, dass auch an sogenannten Förderschulen Assistenzleistungen der Eingliederungshilfe in Form einer 1:1 Assistenz möglich sind, wenn nur so aufgrund eines hohen Unterstützungsbedarfs eine Teilnahme am Unterricht möglich ist. Als unproblematisch stufte das Bundessozialgericht es dabei ein, dass zur Erfüllung dieser Aufgabe ggf. pädagogische Kenntnisse und Fertigkeiten notwendig sind und zur Anwendung kommen. Beispielsweise wenn bei der Lösung einer von der Lehrerin gestellten Aufgabe die Aufmerksamkeit der Schüler*innen mit Assistenzbedarf auf die Aufgabe gelenkt und die Nutzung der Arbeitsunterlagen unterstützt wird.

Dieses Verständnis entspricht auch der durch das BTHG (Bundesteilhabegesetz) gesetzlich in § 78 Abs. 2 SGB IX verankerten Regelung zur Assistenz. Das Gesetz sieht die qualifizierte Assistenz, die zur Entwicklung eigener Fähigkeiten anleiten soll und pädagogische Kenntnisse bei der Assistent*in voraussetzt, ausdrücklich als Leistung der Eingliederungshilfe vor.

Bedenklich an der Entscheidung des Bundessozialgerichts ist dennoch, dass Streitigkeiten zwischen Kostenträgern (Wer ist für die Leistung zuständig?) auf dem Rücken von Menschen mit Assistenzbedarf und ihren Familien ausgetragen werden. Dies, obwohl die Kostenträger die Möglichkeit haben, den Streit unter sich auszutragen, notfalls auch in langwierigen Gerichtsverfahren.

(Mai 2020) RAin Sabine Westermann