Der folgende Text ist erschienen in informiert! Ostern 2019.
Wer sich schon etwas mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) beschäftigt hat, ist sicherlich über den Begriff ICF „gestolpert“. Denn das BTHG schreibt vor, dass die Bedarfsermittlung „gemäß ICF“ zu erfolgen hat (siehe BTHG-Info Nr. 3, S. 3). Was verbirgt sich dahinter?
ICF ist die englische Abkürzung für: Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit.
Diese Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dient zur Beschreibung des funktionalen Gesundheitszustandes, der Behinderung, der sozialen Beeinträchtigung und der relevanten Kontextfaktoren einer Person.
Die ICF ist wie die ICD (englische Abkürzung für: Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten) ein Teil der WHO-Familie der Internationalen Klassifikationen. Während die ICD Krankheiten klassifiziert und sich deswegen z. B. auf einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wiederfindet, klassifiziert die ICF die Folgen von Krankheiten in Bezug auf Körperfunktionen und -strukturen, Aktivitäten und Teilhabe (Partizipation) sowie Umweltfaktoren. Die Blickwinkel von ICD und ICF ergänzen sich also. Zusammen liefern sie ein umfassendes Bild von der Gesundheit eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen. Damit schaffen sie eine Grundlage für Entscheidungen über individuelle Rehabilitationsmaßnahmen oder über gesundheitspolitische Maßnahmen.
Die ICF ist primär nicht defizitorientiert, ihr liegt ein bio-psycho-sozialen Modell zugrunde. Sie ist ressourcenorientiert und nimmt bezüglich der Ursachen einen neutralen Blickwinkel ein. Die ICF ist universell anwendbar, sie kann daher auf alle Menschen bezogen werden, nicht nur auf Menschen mit Behinderungen.
Die Fragebögen der Bedarfsermittlung gemäß BTHG sind in folgende neun Lebensbereiche nach ICF eingeteilt:
Lernen und Wissensanwendung (z.B. Lernen, Lesen, Schreiben, Rechnen)
Allgemeine Aufgaben und Anforderungen (z. B. einfache oder komplexe Aufgabe vorbereiten und durchführen, Umgang mit Stress)
Kommunikation (z. B. verbale, non-verbale oder schriftliche Verständigung mit anderen Menschen, Nutzung von Kommunikationsgeräten/-techniken)
Mobilität (z. B. gehen und sich fortbewegen, öffentliche Verkehrsmittel nutzen)
Selbstversorgung (z. B. sich waschen, anziehen oder etwas essen)
Häusliches Leben (z. B. Lebensmittel etc. einkaufen, Kochen, Aufräumen, Putzen)
Interpersonelle Interaktionen und Beziehungen (z. B. soziale Kontakte pflegen, der Umgang mit Familienmitgliedern, Freunden und Fremden)
Bedeutende Lebensbereiche (z. B. Erziehung / Bildung; Arbeit und Beschäftigung; wirtschaftliches Leben)
Gemeinschafts-, sozial- und staatsbürgerliches Leben (z. B. Religion und Spiritualität; politische Teilhabe; Erholung und Freizeit; ehrenamtliche Teilhabe)
Die deutschsprachige Übersetzung der ICF (Stand Oktober 2005) finden Sie unter
https://www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/icf/index.html
(DIMDI – Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information)